15. Dezember 2015

Flucht - Immer eine Frage der Perspektive


Das Drama - 2015

Drama
Ein Arrangement mit Blick auf die Flüchtlingsituation an der ungarischen Grenze

2007 "Die Flucht"

Flucht aus Ostpreußen über das Frische Haff (Bild: ard.de)2007 strahlten die ARD den Zweiteiler "Die Flucht" aus. Viele Zuschauer, auch jüngeren Alters waren schockiert über die Umstände, unter denen sich plötzlich Angst, Verzweiflung, Schreck und Unglauben sich über die vor Kurzem noch heile Welt ausbreiteten. Glückliches, unbesorgtes Leben wich einem Zustand, der heute in Deutschland die Tierschützer auf den Plan rufen würde.


Ostfront 1945: Flucht übers "frische Haff" (Bild: MDR)Am Schlimmsten für die Geflüchteten aber war der Moment, in dem sie die vermeintliche Sicherheit Deutschlands erreicht hatten, nur um hier zu erfahren, dass sie als unerwünschtes Gelump aus dem Osten hin- und hergeschoben und unter erniedrigenden Bedingungen behandlet wurden.

Aus dem Wikipedia-Beitrag zu Ostpreußen stammt dazu diese Schilderung:
"Es wird geschätzt, dass von den bei Kriegsende etwa 2,4 Millionen Bewohnern Ostpreußens ungefähr 300.000 unter elenden Bedingungen auf der Flucht ums Leben gekommen sind. Unter den Menschen, die bei den Versenkungen der Wilhelm Gustloff, der General von Steuben und der Goya im Frühjahr 1945 starben, befanden sich auch viele Flüchtlinge aus Ostpreußen, einige Tausend pro Schiff."

Und weiter  in Plaent Wissen, "Deutsche Geschichte - Flucht und Verteibung":

"Die gewaltigen Flüchtlingsströme verlaufen quer durch das zerstörte Deutschland und treffen auf Menschen, die durch Bombenangriffe und Kriegshandlungen selbst kaum über das Nötigste zum Leben verfügen. Vielerorts werden die Neuankömmlinge daher misstrauisch beäugt und nicht selten feindselig behandelt. Es ist das Deutschland der "Stunde Null", und in den kriegszerstörten Ruinenlandschaften mangelt es an Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Wohnraum, Kleidung, Heizmaterial und Arbeit. Viele Heimatvertriebene müssen jahrelang in Auffanglagern oder Baracken leben, Wohn- und Lebensraum muss erst neu geschaffen werden. Die Vertriebenen trifft neben den Strapazen der Flucht und dem Verlust der Heimat das Los des sozialen Abstiegs. Sie müssen mit leeren Händen den Neuanfang versuchen. Haus, Hof, Hab und Gut haben sie zurücklassen müssen."

Mittlerweile haben die meisten, der 2,1 überlebenden Menschen sich in Deutschland zurechtgefunden. Auch dank des Witschaftsbooms. Die herabwürdigende Behandlung der Ostpreußen und Sudeten, die ich selber noch in den 80er Jahren erlebt hatte, hat sich inzwischen erledigt.

Aber, was hat unsere Gesellschaft, was haben im Besonderen die Nachfahren dieser unglücklichen Menschen von der Tragödie gelernt?

Nichts!

Warum schreibe ich als Nachkriegskind darüber?


1960s Afghanistan par vs present day
Paghman gardens 1967 und 2007 Quelle Bill Podlich
Junge Frauen in Kabul - 1972
Quelle: Twitter
Während der oben genannte Film gedreht wurde, herrschte in Afghanistan schon ein viertel Jahrhundert Verwüstung, Unterdrückung und Unmenschlichkeit. Die meisten Menschen von uns kennen Afgahanistan garnicht mehr anders als diesen hoffnungslos in die Steinzeit zurückgebombten Fleck irgendwo hinter Pakistan und im Süden Russlands.

Quelle Bill Podlich

Wer will denn schon glauben, dass die heutzutage unbeachteten Länder Afghanistan, Iran, Irak, Syrien, Libanon noch bis in die späten siebziger Jahre hinein hochentwickelt waren? Dass im Land der Burkas noch vor 40 Jahren lebendige Kultur zusammen mit einem hochentwickelten westlichen Lebensstil vereint gelebt wurden?

Afghan girls coming home from school. "Afghan girls, as well as boys, were educated up to the high school level, and although girls (and boys) wore uniforms, the girls were not allowed to wear a chadri on their way to secondary school.  Able young women attended college, as did the men." - Peg Podlich
Westlicher Stil:
SchülerInnen in Kabul
Quelle: Bill Podlich
Doch genau aus diesem heile Welt-Szenario kommen die Menschen, denen man jetzt schon in der dritten Generation das Leiden unserer Ostpreußen antut:

Wer nicht zu den Taliban gehört, wird geschändet, misshandelt, getötet. Die Familie entehrt, beraubt, jeglicher Ernährungsgrundlage genommen.



 Bild in Originalgröße anzeigen
Kontrastprogramm
für Kinder
Quelle: Laura Savignelli


Diese traumatisierten Menschen wagen einen langen Treck raus aus dem Elend. Nur, dass, durch amerikanisches und europäisches Einwirken das Elend nicht im nächsten, übernächsten oder sonstwie leicht zu erreichenden Land endet. Sondern halt eben in Europa.

Und, wie auch die Ostpreußen vor 70 Jahren, erfahren diese Menschen nach langem Überlebenskampf an den innereuropäischen Grenzen, in deutschen Aufnahmelagern, bei deutschen Behörden und erst recht in der Öffentlichkeit eine brutale, Seele und Körper zerstörende "Willkommenskultur".

Allerdings haben diese Menschen das Pech, dass sie jetzt die Realität durchleben müssen, während wir mit durchfeuchtetem Taschentuch das fürchterliche Filmschicksal von Maria Furtwängler in dem Zweiteiler "Die Flucht" durchleben und die Ungerechtigkeit des Lebens beschimpfen.

Wäre diese Realität nicht so verdammt real, müsste sie der Phatasie eines wirklich zynischen Satirikers entsprungen sein.

Schöne Welt hinter dem Zaun

Keine Kommentare: