15. Dezember 2015

Flucht - Immer eine Frage der Perspektive


Das Drama - 2015

Drama
Ein Arrangement mit Blick auf die Flüchtlingsituation an der ungarischen Grenze

2007 "Die Flucht"

Flucht aus Ostpreußen über das Frische Haff (Bild: ard.de)2007 strahlten die ARD den Zweiteiler "Die Flucht" aus. Viele Zuschauer, auch jüngeren Alters waren schockiert über die Umstände, unter denen sich plötzlich Angst, Verzweiflung, Schreck und Unglauben sich über die vor Kurzem noch heile Welt ausbreiteten. Glückliches, unbesorgtes Leben wich einem Zustand, der heute in Deutschland die Tierschützer auf den Plan rufen würde.


Ostfront 1945: Flucht übers "frische Haff" (Bild: MDR)Am Schlimmsten für die Geflüchteten aber war der Moment, in dem sie die vermeintliche Sicherheit Deutschlands erreicht hatten, nur um hier zu erfahren, dass sie als unerwünschtes Gelump aus dem Osten hin- und hergeschoben und unter erniedrigenden Bedingungen behandlet wurden.

Aus dem Wikipedia-Beitrag zu Ostpreußen stammt dazu diese Schilderung:
"Es wird geschätzt, dass von den bei Kriegsende etwa 2,4 Millionen Bewohnern Ostpreußens ungefähr 300.000 unter elenden Bedingungen auf der Flucht ums Leben gekommen sind. Unter den Menschen, die bei den Versenkungen der Wilhelm Gustloff, der General von Steuben und der Goya im Frühjahr 1945 starben, befanden sich auch viele Flüchtlinge aus Ostpreußen, einige Tausend pro Schiff."

Und weiter  in Plaent Wissen, "Deutsche Geschichte - Flucht und Verteibung":

"Die gewaltigen Flüchtlingsströme verlaufen quer durch das zerstörte Deutschland und treffen auf Menschen, die durch Bombenangriffe und Kriegshandlungen selbst kaum über das Nötigste zum Leben verfügen. Vielerorts werden die Neuankömmlinge daher misstrauisch beäugt und nicht selten feindselig behandelt. Es ist das Deutschland der "Stunde Null", und in den kriegszerstörten Ruinenlandschaften mangelt es an Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Wohnraum, Kleidung, Heizmaterial und Arbeit. Viele Heimatvertriebene müssen jahrelang in Auffanglagern oder Baracken leben, Wohn- und Lebensraum muss erst neu geschaffen werden. Die Vertriebenen trifft neben den Strapazen der Flucht und dem Verlust der Heimat das Los des sozialen Abstiegs. Sie müssen mit leeren Händen den Neuanfang versuchen. Haus, Hof, Hab und Gut haben sie zurücklassen müssen."

Mittlerweile haben die meisten, der 2,1 überlebenden Menschen sich in Deutschland zurechtgefunden. Auch dank des Witschaftsbooms. Die herabwürdigende Behandlung der Ostpreußen und Sudeten, die ich selber noch in den 80er Jahren erlebt hatte, hat sich inzwischen erledigt.

Aber, was hat unsere Gesellschaft, was haben im Besonderen die Nachfahren dieser unglücklichen Menschen von der Tragödie gelernt?

Nichts!

Warum schreibe ich als Nachkriegskind darüber?


1960s Afghanistan par vs present day
Paghman gardens 1967 und 2007 Quelle Bill Podlich
Junge Frauen in Kabul - 1972
Quelle: Twitter
Während der oben genannte Film gedreht wurde, herrschte in Afghanistan schon ein viertel Jahrhundert Verwüstung, Unterdrückung und Unmenschlichkeit. Die meisten Menschen von uns kennen Afgahanistan garnicht mehr anders als diesen hoffnungslos in die Steinzeit zurückgebombten Fleck irgendwo hinter Pakistan und im Süden Russlands.

Quelle Bill Podlich

Wer will denn schon glauben, dass die heutzutage unbeachteten Länder Afghanistan, Iran, Irak, Syrien, Libanon noch bis in die späten siebziger Jahre hinein hochentwickelt waren? Dass im Land der Burkas noch vor 40 Jahren lebendige Kultur zusammen mit einem hochentwickelten westlichen Lebensstil vereint gelebt wurden?

Afghan girls coming home from school. "Afghan girls, as well as boys, were educated up to the high school level, and although girls (and boys) wore uniforms, the girls were not allowed to wear a chadri on their way to secondary school.  Able young women attended college, as did the men." - Peg Podlich
Westlicher Stil:
SchülerInnen in Kabul
Quelle: Bill Podlich
Doch genau aus diesem heile Welt-Szenario kommen die Menschen, denen man jetzt schon in der dritten Generation das Leiden unserer Ostpreußen antut:

Wer nicht zu den Taliban gehört, wird geschändet, misshandelt, getötet. Die Familie entehrt, beraubt, jeglicher Ernährungsgrundlage genommen.



 Bild in Originalgröße anzeigen
Kontrastprogramm
für Kinder
Quelle: Laura Savignelli


Diese traumatisierten Menschen wagen einen langen Treck raus aus dem Elend. Nur, dass, durch amerikanisches und europäisches Einwirken das Elend nicht im nächsten, übernächsten oder sonstwie leicht zu erreichenden Land endet. Sondern halt eben in Europa.

Und, wie auch die Ostpreußen vor 70 Jahren, erfahren diese Menschen nach langem Überlebenskampf an den innereuropäischen Grenzen, in deutschen Aufnahmelagern, bei deutschen Behörden und erst recht in der Öffentlichkeit eine brutale, Seele und Körper zerstörende "Willkommenskultur".

Allerdings haben diese Menschen das Pech, dass sie jetzt die Realität durchleben müssen, während wir mit durchfeuchtetem Taschentuch das fürchterliche Filmschicksal von Maria Furtwängler in dem Zweiteiler "Die Flucht" durchleben und die Ungerechtigkeit des Lebens beschimpfen.

Wäre diese Realität nicht so verdammt real, müsste sie der Phatasie eines wirklich zynischen Satirikers entsprungen sein.

Schöne Welt hinter dem Zaun

9. Dezember 2015

Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsplatz...

Bilder meines Arbeitsweges

Hügelzug bei Heppenheim

Es ist dunkel. Eiskalter Regen wird vom Wind gegen die Scheiben gepeitscht. Drinnen im ICE ist es gemütlich warm. Ich sitze, in den Sessel gefläzt. Vor mir auf dem Tisch ausgebreitet liegen Skripte zum Durcharbeiten, ein Heft zum Lösen von Übungsaufgaben, manchmal auch einfach nur der eReader oder mein Notizbuch mit einer kleinen Malerei.

Ist mir das Treiben um mich herum zu bunt, gehe ich in das Bord-Bistro, welches gerade mal ein paar Türen von meinem Platz entfernt ist. Morgens bei einem guten Kaffee und warmem Croissant, abends durchaus auch mal mit ein paar anderen Gästen im angeregten Gepräch und einem kühlen Weizenbier. Dort, direkt neben dem immer offenen Büro des Führungsteams, ist immer gute, freundliche Stimmung angesagt.

Idylle pur für ungefähr ein halbes Stündchen. Den meisten geht es sogar Zuhause weniger gut.

Irgendwann kommt dann per Lautsprecher der Aufruf. Schnell noch die Sachen wieder einräumen, Jacke anziehen, Fahrrad auspacken und auffalten und schon geht es raus aus dem ICE.

Ja, das was ich soeben beschrieben habe, ist mein typischer Arbeitsweg!

Ich kann natürlich auch anders. Wenn mein antizyklisch zu meinem Rhytmus arbeitender Chef mal auf einen späten Termin einlädt, oder ich einfach keine Lust habe, nach einem spät abendlichen Seminar noch des Nachts längere Zeit auf irgendwelchen Bahnhöfen herumzustehen.

Dann fahre ich mit dem Auto in den Urlaub!

Mindestens eine Stunde lang sieht mein Szenario dann z.B. so aus:

Raus aus dem Haus in die Dunkelheit. Vor, und somit auch unter mir glänzen die Lichter des Ortes, während der erste Frühnebel langsam aus dem Fluss nach oben steigt. Ich fahre los. Überquere den Neckar, der mystisch im Nebel glänzend schräg unter mir die Ankerlichter eines Schubkahns reflektiert. Weiter am Neckarufer geht es an der beleuchteten Stadtmauer von Eberbach vorbei.


Bald darauf geht es bergauf in den Odenwald. Anfänglich durch einige Nebelschwaden, die die dunklen, ersten, Farben des Morgengrauens in weiche Pastelltöne verwandeln.
Ohne Gelb

Ich passiere die Burgruinen von Gammelsbach und Beerfelden. Hier auch schon der erste Ausblick in den sich nördlich vor mir ausstreckenden Odenwald.
Ende eines heißen Sommertages im Odenwald

Es folgt der wunderbare, steinerne, Viadukt von Hetzbach und bald darauf biege ich links ab. während es den Maarbach hinaufgeht, nimmt der Himmel über mir eine tiefviolette Färbung ein. Dem linken Ufer des Maarbachstausees folgend, genieße ich den Blick über den See auf das gegenüberliegende Dunkelblaugrün der Uferwiesen. Noch stehen im Hintergrund die unbeleucteten Berge tiefstdunkelblau, während sich über ihnen langsam die ersten rötlichen Schleier des aufkommenden Sonnenaufgangs zeigen.
Sommerregen über dem Maarbachstausee

Einen Kilometer später begrüßt mich schon der Lichterglanz der mitten im Grün gelegenen Molkerei von Hüttenthal. 
Staubiger Abend nach Getreideernte
Dann endlich kommt die Straße in Schwung! In lustigen Rechts- Linkskombinationen schwingt sich die hier als "Nibelungenstraße" bezeichnete Asphaltspur schwarz glänzend an dem Siegfriedsbrunnen vorbei und weiter, bis ich kurz vor Fürth von sanft grün leuchtenden Hügelketten derart geffesselt werde, dass ab jetzt bewusste Konzentration auf den Verkehr angesagt ist.

Heißer Sommertag
In Heppenheim geht es dann auf die A5, die sich an der hessischen Bergstraße entlangwindet und mir einen Blick auf die dahinter liegenden Hügelketten des Odenwalds erlaubt.
Abendstimmung an der Bergstraße bei Bensheim
Der Melibokus, das Schloss Auerbach und Burg Frankenstein zeichnen sich markant von diesem Hintergrund ab. Inzwischen hat die flachstehende Sonne es geschafft, über dem Odenwald ein warmes Leuchten zu entzünden, während sich vor und links von mir noch dunkle Bläue ausbreitet.
Sonnenuntergangsstimmung an der Bergsttraße bei Bensheim
Nicht mehr lang, dann hat sich die Morgenröte rund um mich herum ausgebreitet. Links neben mir glänzen die beiden Rosinenbomber am Luftbrückendenkmal und schräg über mir gleitet, silbrig-orange glänzend vom Sonnenlicht angestrahlt, ein Flugzeug im Landeanflug vorüber.
Sonnenaufgang im Spätsommer
Nun führt der Weg nur noch an den glitzernden Fassaden des Flughafens vorbei, während sich rechts im Hintergrund die Hügel des Taunus ausbreiten. An ihren Flanken sind die Lichter der recht beliebten Wohnorte wie Kronberg, Hofheim sowie der aufwachenden Bürostadt  Eschborn zu erkennen. Zwischen Ihnen, langsam in Richtung Flughafen ziehen die Diamantketten der Autolichter auf den großen Einfallstraßen vom Taunus in Richtung Frankfurt.

Jetzt nur noch kurz in das Parkhaus, Dort im 10. Stock einen Parkplatz gesucht und dann...

... leuchtet unter mir die Anlage der neuen Landebahn wie ein wunderschönes Edelsteincollier aus Lapislazuli, Turmalinen, blauem Saphir und Rubinen!

Weg mit der Dunkelheit!
Meine abendliche Rückfahrt ist von ähnlichen Eindrücken geprägt.

Kein Wunder, dass sich diese Erlebnisse tief in mein Inneres einbrennen und meine Bilder stark beeinflussen!

Die hier vorgestellten Bilder entstammen alle aus diesen Szenarien.

3. Dezember 2015

Eberbach im Odenwald - Meine neue Heimat

Eberbach Pulverturm und Stadtmauer, Aquarellstifte auf Papier, DIN A6

Samstag 11.04.2014:
"Schatz, wir werden wohl niemals zusammenziehen können". In diesen Worten lag die ganze Enttäuschung meiner Partnerin. Wir suchten mittlerweile schon zwei Jahre nach einer Möglichkeit, unsere beiden Wohnorte (Speyer und Wiesbaden) derart zusammenlegen zu können, dass wir auch weiterhin noch zur Arbeit kommen konnten, sich in der Nähe der Wohnung ein Fluss und möglichst auch Wald befinden sollte und dann auch noch unser Budget für die Miete ausreichen musste.

Selbst mit großen Abstrichen an die Fahrzeit, die Lage und die Wünsche nach Naturnähe ließ sich keine passende Wohnung für uns finden, die einfach "nur" ungefähr so viel kosten sollte, wie unsere beiden einzelnen Mieten zusammen.

Es war schier aussichtslos. "Schier aussichtslos" ist für mich der Begriff, der immer in mir zündet, auslöst, Trotz und Dickkopf aktiviert. So auch in diesem Fall.

Zuerst erweiterte ich das Suchgebiet in dem Immobilienportal. Aber selbst im tiefsten Odenwald oder Pfälzer Wald sowie dem Hunsrück war nichts Gescheites zu dem gewünschten Preis zu bekommen.

Dann entschied ich mich, doch nochmal nach Verkäufen zu schauen. Die Wohnungen waren nicht finanzierbar. Aber plötzlich stand vor meinen Augen ein kleines Häuschen in einem Ort namens Eberbach. 78.000 Euro sollte es kosten. Nach der ersten Überschlagsrechnung war hier trotz eingerechneter Renovierungskosten eine Finanzierung theoretisch möglich. Auch mit Null Eigenkapital?

Zuvor analysierten wir die Fotos von dem Haus, gingen unserem Hobby der Recherche in Google Maps nach und fanden das Häuschen tatsächlich! Etwas außerhalb des Ortes, oberhalb vom Neckar direkt am Waldrand gelegen und mit S- und Regionalbahnanschluss keine 1500 Meter von der Haustür wirkten wie die Erfüllung unserer Träume!

Bereits am Dienstag, dem 15.04.2014, hatten wir unseren Maklertermin für dieses Häuschen. OK, Innen war es verlebt, dem Äußeren musste wieder Leben eingehaucht werden. Aber der Blick auf den Neckar, in den Odenwald, über den Ort, auf den blühenden Apfelbaum, der wunderschöne Ort selber, seine Stadtmauer mit dem Pulerturm, dem alten Badhaus..... .
Altes Badhaus in Eberbach, Aquarellstifte auf Papier, DIN A6

Mit anderen Worten, wir reservierten das Häuschen.


Nach Sicherstellung der Finanzierung, Organisation guter Handwerkerbetriebe und der Notariellen Beglaubigung des Kaufvertrages waren wir stolze Hausbesitzer.

Das Ziel, unsere vormaligen Lebenshaltungskosten nicht zu überschreiten, ließ sich tatsächlich einhalten, so dass wir inzwischen glücklich in diesem Häuschen wohnen.

Mitten im Odenwald, direkt am Neckar. Halt dort, wo andere Menschen Urlaub machen, befindet sich seit inzwischen mehr als einem Jahr unser Lebensmittelpunkt.
 Natürlich gibt es auch dort triste Spätwintertage, die aber von einem fulminanten Frühling abgelöst werden:
Aus meinem Fenster - Letzter grauer Wintertag in Eberbach, Acryl auf Papier, 20 x 30 cm

Frühlung in Eberbach - Blick von meiner Terrasse, Acryl auf Leinwand, 50 x 70 cm



Auf Wiedersehen Rheingau - Ciao Wiesbaden

Weinberg im Rheingau

 
Weinberg im Rheingau, Acryl auf Leinwand, 20 x 20 cm

Meine ehemalige Wahlheimat, Wiesbaden, ist nach meiner Wahrnehmung die heimliche Hauptstadt des Rheingaus. So haben sich die Rheingauer Weinorte um diese alte Römerstadt herum entwickelt. Vom Weinort Wicker im Osten der Stadt als "Tor zum Rheingau" bis hin zu den berühmten Weinlagen in Rauenthal, Walluf, Eltville (samt Kiedrich und Kloster Eberbach), Frauenstein und nicht zuletzt auch dem Neroberg im Herzen Wiesbadens wird dem Anbau von Riesling auf wärmespeicherndem Schiefergestein gefröhnt.

Die von mir im Frühling 2014 aufgesuchte psychiatrische Vitos-Rheingauklinik liegt inmitten, aber wunderschön oberhalb, der eben genannten Weingegend. Mit dem Weinort Kiedrich zur Linken, Kloster Eberbach zur Rechten und voraus einem schönen Blick auf Eltville und den dahinterliegenden Rhein ist diese Lage optimal geeignet, dem depressiven Patienten auf die Sprünge zu helfen.

Nicht umsonst waren es wohl die Eindrücke dieser Landschaft, die in mir den Wunsch weckten, endlich Herr meiner Ängste vor der Malerei zu werden. Auch waren es die Einflüsse eines unfassbar schönen Morgens am 30.April, als ich auf einem Morgenspaziergang von dem gelb strahlenden Raps und der sich dahinter ausdehnenden Weinlandschaft derart fasziniert war, dass ich mich an mein erstes Bild wagte (Siehe "Mein erster Prototyp ...").

Die Intensität dieses Auslösers muss extrem gewesen sein. Denn damals befand ich mich in den Tiefen einer, mir aussichtslos erscheinenden Depression. Normale Eindrücke hatte ich bis dahin einfach als "na ja, geht so" abgetan. Ich glaube, nur Menschen mit Erfahrungen aus dieser Krankheit können verstehen, wovon ich hier schreibe.

Mit der Malerei hatte mich eine gewisse Neugier gepackt. Auch wenn ich ansonsten noch perspektivlos durch die Gegend strauchelte, so fesselten mich doch die Möglichkeiten, "einfach" auszuprobieren, Ergebnisse zu bewundern und anschließend so gut wie jedes Mal mit mir und meinen Fähigkeiten zufrieden zu sein.

Zum Ausprobieren gehörte auch, dass ich mich mit all den jahrelang gesammelten Utensilien und den davon ausgehenden malerischen Möglichkeiten auseinandersetzte.

Komplett fremd war mir unter Anderem bis dahin der Umgang mit Pastellkreide. Sie hatte für mich eher den Touch des Unklaren und Uniteressanten Malmittels. Umso überraschter war ich, als schon die preiswerten Kreiden aus den Hallen einer Essener Feinkost und Nonfoodkette ein für erstaunliches Ergebnis abwarfen:
Kiedrich. Blick auf Bassenheimer Hof und Burg Scharfenstein. Pastellkreide auf Papier. DIN A5
Auch begeisterte mich die von den Kreiden ausgehende Inspiration, in kubistischen Formen zu malen.

Diese Technik förderte in mir intensives Hingucken und die Auseinandersetzung mit der Reduktion der Eindrücke auf die bestimmenden Elemente.

Mit diesem Bild war aber auch gleichzeitig das Ende meiner Zeit im Rheingau und in Wiesbaden gesteckt. Ab jetzt galt es, von Wiesbaden als meinem langjährigen Zuhause Abschied zu nehmen und zu akzeptieren, dass sich mein Besucherstatus im Rheingau von "Einheimischer" in "Tourist"gewandelt hatte.

Ich muss zugeben, dass mir diese Wandlung nicht schwer fiel. Das liegt nicht unbedingt an meiner Zigeunerseele, sondern vielmehr an der Landschaft in der ich seitdem wohnen darf:

Dem Odenwald, über den ich in den nächsten Beiträgen berichten werde.

25. November 2015

Am liebsten intuitiv und Gefühlsecht

Dunkelheit - einmal tief hinab und wieder raus bitte

Weg mit der Dunkelheit

Die gegenständlichen Themen üben zwar ihren Reiz auf mich aus. Richtig glücklich bin ich aber erst dann beim Malen, wenn es in das Abstrakte geht. Warum?

Besonders im Zuge der Kunsttherapeutischen Stunden während meiner Reha im Glottertal lernte ich die Intensität des Unbeabsichtigten so richtig kennen. Nicht nur in meinen Arbeiten, sondern auch in der Art, wie meine MitpatientInnen durch ihr künstelerisches Vorgehen ihre Seele von innen nach außen stülpten, begriff ich endgültig:

Kunst steckt in jedem Menschen!
Künstler sind wir schon ab dem ersten Lebensjahr!
Kunst ist zwar etwas Äußerliches und doch ist 
Kunst der Motor der Inneren Bewegung.
Kunst ist Intuition!

Aber auch:

Kunst ist kompliziert
Kunst entblößt
Kunst bildet die eigenen Prägungen ab
Kunst löst tiefe Ängste aus
Kunst führt zu Konflikten!

Mein Lieblingsbeispiel ist das, gut 60 x 80 cm große "Erstlingswerk" meiner jüngeren, damals knapp zwei Jahre alten Tochter:

Ich hatte ihr Pinsel, Wasserfarben und ein großes Blatt hingelegt, woraufhin sie sofort anfing zu malen. Keine Bedenken, wo, wie, was, in welcher Proportion, mit welcher Schattierung und Perspektive wann aufzutragen war. Einfach losgelegt und dann auch genauso wieder einfach aufgehört. Kein Nachbessern, herumkritteln, Überlegen, Verwerfen, Maulen, Unglücklichsein oder gar Wut. Nur Zufriedenheit!
Ich liebte dieses Bild, es hing eine ganze Weile in unserem Arbeitszimmer über dem Computerarbeitsplatz.
Die Bilder einige Zeit danach waren geprägt von:
Angst, Bedenken, Fragen von Außen ("Was soll das darstellen?"), Kritiken von Außen ("So sieht doch kein Mensch, kein Haus, kein Auto, keine Schnecke aus!"), Unzulänglichkeitsgefühl (Lobpreisung der Bilder der großen Schwester, die gerade einen Aquarellkurs besuchte und Talent zeigte) und letztendlich von Selbstaufgabe ("Ich kann nicht malen, die Anderen können es besser").

Was passiert da in dem kleinen Menschen?


Flucht aus der Dunkelheit
Am grausamsten, so behaupte ich, sind die nadelstichartigen Kritiken der anderen Kinder, die, auch um ihr Werk emporzuheben brutal vernichtende und meist lautstark vorführende Rückmeldungen abgeben können: "Ihhh, was soll das denn sein!", "Die Y malt immer über die Linien drüber, ICH kann das viel besser!!!" oder "Die X malt schon wieder so ein komisches Haus" etc.

Diese Mittel werden dann unbewusst von der erwachsenen, z.T. ehrgeizigen, Umgebung unterstützt oder gar, wie in den ersten Klassen brutal umgesetzt: "Da hast Du schon wieder übergemalt, das ist so nicht schön", "Schaut ma, was die Z für ein schönes Bild gemalt hat", "So, wie der W das gemalt hat, möchte ich von Euch kein Bild sehen" (Gelächter, Spott).

Später gelten dann Kinder und junge Erwachsene, die im Kunstunterricht noch nicht einmal einen einzelnen Strich hervorbringen als Arbeitsverweigerer und werden mit null Punkten abgestraft.

Warum reite ich darauf herum?

Ich habe für mich die Theorie entwickelt, dass eine Seele nur durch offene, künstlerische Aktivität (Musik, Malen, Gestalten, Schreiben und auch reden) atmen kann. Werden einem Menschen diese Mittel genommen und wird in ihm die Prägung eingepflanzt, dass er nie im Leben dazu taugt, sich entsprechend zu entwickeln, dann wird seine Seele stranguliert. Egal, auf welche Kompensationsmethoden der betroffene Mensch zurückgreift, in ihm steckt bereits der Samen der Depression, die sich der Seele bei nächstbester Gelegenheit bemächtigen wird.

Ist das Schwarzmalerei?

Verlorene Struktur Depression 2
Deep in the Sea - Depression
Bestimmt. Nur weiß ich als Mensch mit einer ausgeprägten Veranlagung zur Depression auch, dass manchmal in schwarz/weiß gedacht und gehandelt werden muss, wenn es darum geht, Gutes vom Bösen zu unterscheiden. Erst, nachdem das Gute wieder festen und nährenden Boden in meiner Seele gefunden hat, darf ich mich zunehmend versuchen, die Graustufen zwischen Weiß und neutralgrau auszutesten. Wissend, das in diesem Spektrum der wohlwollende Anteil der Wahrnehmungen überwiegt.

Das Schwarze kann vorerst schwarz bleiben, da es hier gilt, klare Grenzen zu setzen, deren Aufgabe darin besteht, den Pfad der Genesung zu sichern. Auch weiß ich ja, dass es oberhalb dessen eine helle Oberfläche gibt (Siehe Bild "Deep in the Sea - Depression")


Erst später kommt dann die Phase, in der die Prägungen derart relativiert sind, dass Eindrücke zwischen Neutralgrau bis hin zum Superschwarz mit stoischer Gelassenheit hingenommen werden können und den sprichwörtlichen Seemann einfach nicht mehr erschüttern können.
Bin das wirklich ich? - Selbstportrait meiner Seele

Was hat das mit den Bildern zu tun?

Ich habe diesem Aufsatz ein paar meiner Bilder hinzugefügt, die meine seelischen Entwicklungsstufen untermalen. Die aber au zeigen, dass die Intuition erst dann frei, freundlich und lebendig ist, wenn der Bilck in das eigene Ich mit Licht, Wärme und Glück gefüllt ist.
Die zwei Kräfte in mir - Gleichgewicht

24. November 2015

Malen - überall

Malen bei Döner und Cola: Badhaus Eberbach

Badhaus Eberbach

Inzwischen war Malen meine Leidenschaft geworden. Ich hatte sogar die innere Stärke entwickelt, mich ausschließlich auf mein Urteil zu verlassen und Rückmeldungen an meinen Bildern dankend, aber niemals beängstigt entgegenzunehmen.

Das war ein wichtiges Stadium. Denn nun kam die Phase, in der ich mich psychisch aus der Isolation meiner inneren Dunkelheit zu lösen begann.

Besonders untertützten mich in dieser Phase gleich mehrere positive Einflüsse:

Ich spürte endlich wieder die Natur und genoss* den aufkommenden Frühling.

Motiviert durch die sich seit April neu entwickelnde Lebenssituation fing ich an, in der "Öffentlichkeit" zu malen. War es anfänglich "nur" meine Patnerin, in deren Anwesenheit ich mich nicht mehr gestört fühlte, so entwickelte ich doch langsam eine Souveränität, die es mir ermöglichte, an fast jedem Ort meinen Malkoffer zu öffnen, oder zumindest meine Aquarellstifte auszupacken und mich in ein Bild zu vertiefen.

So entstanden als "Erstlingswerke" in der Öffentlichkeit:
Das "Badhaus" (s.o.) welches ich in Eberbach von meinem Tisch an der Snack-Bar aus malte, der Höllbach und auch das Birkenwäldchen:



Höllbach bei Unterhöllbach
Birkenwald im Frühling

* "Genießen" in der Depression bedeutete zwar, solche Momente in homöopathischen Dosen wahrzunehmen. Aber wenn ich solche Momente erlebte, dann waren sie halt weniger negativ als der Rest und somit wiederholenswert!

Gärdet - meine Remakes

  Ein schöner tag auf dem Meer - Karrikatur der Struktur

Ein schöner Tag am Meer
Im Sommer 1985 hielt ich mich in Stockholm auf. Es war unglaublich warm, das Gras braun und die Stadt voller Touristen. Die unter 30-Jährigen übernachteten in überfüllten Schulen, Turnhallen und allen anderen Massenunterkünften, die die Stadt irgendwie organisieren konnte.

Auch ich hatte mein Lager auf dem Fußboden einer solchen Herberge und genoss es, durch meine "Bettnachbarn" überall in der Stadt "Bekannte" zu treffen.

Wir genossen das pulsierende Leben und trieben dabei auch irgendwo in den Norden des Djurgarden, wo wir uns plötzlich auf einem Rock- und Punkfestival wiederfanden. Das Motto dieses Festes hieß dem Gelände entsprechend "Gärdet". Es ging den Akteuren darum, zu beweisen, dass ohne riesigen Aufwand eine mehrtägige Musikveranstaltung aufgezogen werden konnte. Ziel war es, diese Veranstaltung dem Publikum umsonst anzubieten. Das "Gärdetfestivalen" war inspiriert von dem Woodstockfestival und wurde jährlich von 1970 bis 2001 anlässlich des 30. Jahrestages dieser Veranstaltung abgehalten. "Gärdet war unter den Fans das Synonym für "Es geht doch!".

Nachfolgeveranstaltungen locken noch immer junge Besucher in diese unglaublich vibrante Sommerstadt.

Was hat das jetzt mit meinen Bildern zu tun?

Ich hatte bereits in meinem Post "Auch Acryl braucht Zeit zum Trocknen" erwähnt, dass ich mich mit den aufgegebenen Werken von MitpatientInnen konfrontierte. Vor Allem, um die für mich durchaus nachvollziehbaren Ängste vor den einzelnen Arbeitsschritten am Bild einfzufangen.

Hier stand plötzlich Konfrontation mit einer realen Angst im Raum!

Auch für mich. Denn ich hatte mir ja Ziele gesetzt:

Nach intensiver Kontaktaufnahme mit der aufgegebenen Leinwand und einer intensiven konzeptionellen Auseinandersetzung sollte in möglichst wenig Zügen ein Bild enstehen. Dieses sollte einerseits die Schwingungen des Originals mittragen und andererseits wollte ich mich darin wiederfinden.

Nach der Serie der Bilder, die ich in "Süchtig", "Das Meer ...", "Die Flut ..." und "Land gewinnen" beschrieben hatte, nahm ich mir noch ein paar weitere, meist kleinere Formate vor. Das bis dahin mir noch nicht bewusste Problem bei diesen kleinen Formaten lag darin, dass sie gerne von den MitpatientInnen für Darstellungen mit dominierenden Strukturen genutzt wurden.

Da gab es nur noch zwei Möglichkeiten:

In "Ein schöner Tag auf See" habe ich ein geometrisch strukturiertes Bild in eine natürliche Unordnung, den lebendigen Tag am Meer, zurückgeführt.

In diesen beiden Bildern ging ich den umgekehrten Weg, indem ich mittels eines stark reißenden, kreidereichen Weißtons dort Risse provoziert habe, wo die darunter liegende unregelmäßige Originalstruktur des Bildes zu einer ungleichmäßigen Trocknung führte.
Winterabend im Odenwald
Winternacht im Odenwald













Zum Abschluss dieser Remake-Serie war mir klar: 

Es geht doch! 

Auch ohne tagelange, infrastrukturelle und konzeptionelle Aktionen ist es möglich, die eigenen Zweifel zu überwinden und etwas Schönes zu generieren.

Gärdet - fortsatt i Björnens huvud

23. November 2015

Prospector auf Tour

Prospector auf Tour

Acryl auf Leinwand, 18 x 24 cm


Jetzt war es mal an der Zeit, meiner Liebsten ein Bild zu widmen.

Noch bevor wir uns als Paar zusammenfanden, machten wir im März 2011 mit unseren Canoes eine wunderschöne Paddeltour über Rhein, Ketscher Altrheinarm und den Otterstädter Altrhein.

Natürlich hatte ich ein paar nette Fotos auf dieser Tour gemacht. Und eines dieser Bilder weckte Assoziationen, die vermuten ließen, meine Gabi hätte das kanutieren persönlich bei Intschu Tschuna erlernt.

Dieses Bild malte ich von meinem neuen Selbstbewusstsein unterstützt und war anschließend sehr stolz auf das Ergebnis.

Studio und Galerie im Krankenzimmer

Boot am Altrhein

Acryl auf Leinwand 60 x 40 cm 



Bisher hatte ich meine Acryl-Bilder in dem kunsttherapeutischen Trakt unserer psychiatrischen Klinik am Eichberg gemalt. Sowohl die freundschaftliche und wohlwollende Stimmung meiner MitpatientInnen als auch der mir inzwischen heilig gewordene Raum erlaubten es mir weiterhin, die inneren Bedenken vor der Tür abzulegen und mich frei und zufrieden meinem Ich und den daraus entstehenden Bildern zu widmen.

Irgendwann jedoch reichte mir der Dienstag- / Donnerstag-Rhytmus der Therapiestunden nicht mehr aus. Ich wurde zwischendrin kribbelig, wollte weiterarbeiten und mich über die noch trocknenden Bilder freuen.

Bei diesem Bild war es dann soweit:

Ich nahm es mit auf mein (Einzel-) Zimmer, stellte dort auf eine Staffelei und nutzte jede freie Minute, um an dem Bild weiterzuarbeiten.

Diese neu entdeckte Möglichkeit genoss ich in vollen Zügen. Meine inneren Zweifler waren entmachtet und es gab nunmehr keinen Grund, auch außerhalb des geschützten Bereiches zu Pinsel, Spachtel, Palettmesser und meinen vielen anderen Malutensilien zu greifen.

Diesem Bild folgten Weitere, die ich jetzt in meinem Zimmer malte. Meist jedoch kleineren Formats, um dem Platzangebot meinesRaumes zu entsprechen.

Ich fange an, meinen Blick zu verstehen

Fischerboot am Atlantik bei Espinho

Aquarellstifte auf Papier 10 x 15 cm

  

In diesem Bild versuchte ich mich zum ersten Mal erfolgreich im Gegenständlichen. 

Noch kurz zuvor hatte ich davor einen unglaublichen Respekt. Ich sah zuviele Details, an denen ich scheiterte und dann im Frühstadium des Bildes aufgab. Bei Steinen sah ich die kleinsten Feinheiten und tausende von Schattierungen unterschiedlichster Intensität. Holzflächen waren für mich nicht reproduzierbar.

Doch jetzt begriff ich plötzlich Robert. M. Pirsigs Ansprache an einen Studenten, der es nicht hinbekam, ein Gebäude abzuzeichnen: "Wenn Du das Gebäude nicht malen kannst, dann male einen seiner Ziegelsteine" ("Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten").

Hatte ich füher gedacht, es ging darum, die Struktur des Gegenstandes zu verstehen, begriff ich nunmehr, dass es der Aufruf dazu war, nur das zu malen, was man auch sieht.

Sehe ich an einem Gebäude die interessante Oberfläche eines Ziegels und will diese abbilden, so konzentriere ich mich mit meinem Blick auf das Makro dieses Steines. Meine Aufmerksamkeit liegt also nicht bei dem Haus, sondern bei einem kleinen Teil dessen, der mir aus irgendeinem Grunde wichtig erscheint.

Mit diesem Blick lässt sich aber nicht das ihn umgebende Haus darstellen. Außer, ich konzentrierte mich sorgfältig von unten nach oben darauf, jedes Detail des Mauerwerks einschließlich der Fugen, der Fensterbänke, des Holzes der Fensterrahmen, der Glasflächen und der Details der von ihnen reflektierten Gegenstände zusammenzufügen.

Der erforderliche Schritt zum gegenständlichen Bild war also nur noch ein ganz kleiner:
Ich musste mich einfach darauf besinnen, was ich wirklich angesichts eines Hauses oder eines Bootes am Strand sehe und wahrnehme: Farbige Flächen unterschiedlicher Intensität und Schattierung mit z.T. auffallenden Details.

Wenn ich nur das Wahrgenommene abbildete, so merkte ich bald, kam ich plötzlich zu dem Ziel, welches zuvor für mich unerreichbar schien: Einem mich zufriedenstellenden, detailgetreuen, Abbild der Realität.

Nachdem ich diesen Punkt verstanden hatte, folgten ein paar Studien, die ich immer wieder zwischen meinen abstrakten Projekten in Angriff nahm.

18. November 2015

Land gewinnen

Auf dem Polder, Acryl, Leinwand

Auf dem Polder, Acryl, Leinwand, 80 x 40 cm, Remake, Spachteltechnik
Auch diese, von Mitpatienten aufgegebene, Arbeit wurde von einer ausgeprägten, teils kreis- oder spiralförmigen Struktur dominiert. Mein Gedanken gingen in den Kreislauf, den unsere liebe Nordseeküste im Laufe der Jahrhunderte erfahren hat.

Schneller Landverlust bei schweren Sturmfluten und mühsame Landrückgewinnung über Generationen sind die wesentlichen Einflüsse auf das tägliche Brot der Friesen und Ostfriesen.

Immer, wenn ich auf einer dieser, frisch dem Meer abgerungenen Landflächen stehe, muss ich an diesen, fast aussichtslosen Kampf gegen die Naturgewalten denken. Im Gegensatz dazu steht die Erfahrung, dass die deutsche Küste am Wattenmeer der Nordsee letztlich schon seit ihrer Besiedlung Kulturland ist.

Seien es die, auf Warften sicher vor den Fluten gebauten Häuser und Siedlungen, die Deiche, wie eben auch die Polder. Alles spricht dafür, dass der Norddeutsche (Friese) ein Mensch ist, der langfristig und weitsichtig denkt und handelt.

Die Flut war pünktlich...

Wattwanderung am Abend nach Neuwerk

Wattwanderung am Abend nach Neuwerk, Acryl, Leinwand, 80 x 40 cm, Remake, Spachteltechnik
Diese, ebenfalls von Mitpatienten aufgegebene Leinwand, stellte mich vor einige Herausforderungen. Inmitten einer grobkörnigen Struktur war die Figur einer auf der Seite liegenden Frau durch Abdeckung freigelassen worden. Die Beine nach Oben angewinkelt, stützte sie sich mit dem Ellbogen auf dem Boden ab und nutzte die andere Hand als Schirm gegen die niedrige Sonne.

Für mich ein spannendes Szenario. Auch, da es mich an meine letzten gemeinsamen Tage mit meiner, damals zwölfjährigen Tochter in Sahlenburg bei Cuxhaven erinnerte. Wir hatten dort mit Ausblick auf die Insel Neuwerk viel am Meeresrand unternommen und diese Zeit glückklich genossen.

Auf einer Kutschfahrt nach Neuwerk lernten wir dann über die heimtückischen Gefahren der Wattwanderungen und ich schwor mir, niemals so unvorsichtig zu sein, mich alleine auf den Weg zu dieser Insel zu trauen.

Ich integrierte den Geist dieser suchenden Frau in die Oberfläche des Meeresbodens. Es bleibt jedem Betrachter dieses Bildes der Freiraum zu einer eigenen Geschichte...

So, wie auch Siegfried Lenz sich mit dem Thema des gefährlichen Meeres befasst hatte...

Das Meer blieb erst einmal mein Thema

Sonnenaufgang nach dem Sturm, Acryl, Leinwand

Sonnenaufgang nach dem Sturm, Acryl, Leinwand, 80 x 40 cm, Remake, Spachteltechnik

Die Oberfläche war im Originalbild durch eine starke Acryl-Struktur derart verändert, dass ich automatisch an Sand am Strand denken musste. Auch gab es für mich Bremer Grenzgänger Ostfriesische Perspektiven zu den Inseln, die mich dazu motivierten, das zuvor gemalte Sturmbild nun in einen Sonnenaufgang übergehen zu lassen. Die Reststruktur half mir, das noch bestehende Chaos nach dem Sturm zu bestärken.

Darüber hinaus freute ich mich darüber, dass sich durch die Feuchtigkeitseinwirkungdes neuen Farbauftrags Risse in der alten Struktur bildeten, die so den Charakter des Remake-Bildes verstärkten.

Süchtig...

Stürmische Nacht im Wattenmeer

Stürmische Nacht im Wattenmeer, Acryl, Leinwand, 80 x 40 cm, Remake, Spachteltechnik
Dieser, meiner ersten Erfahrung folgte eine Serie von Bildern, die ich in dieser Spachteltechnik mittels einer großen Maurerkelle malte.

Meine große Sehnsucht, das Meer, und meine doch recht vielfältigen Stimmungen während der Therapie waren für die kommenden Bilder bestimmend.

Auf diese Weise erstellte ich eine Serie von "Remakes" gleicher Größe.

Von dem Grundkonzept des aufgegebenen Bildes meiner Mitpatienten ausgehend, interpretierte ich dieses auf meine Weise und schlug dann mittels Farbe und Spachtel zu.

Ich verwendete dafür die Lukas Farben unserer Einrichtung, die über erstaunliche Pigmentdichte und eine, für das Spachteln optimale Konsistenz verfügen.

Ich war kaum noch zu bremsen und fieberte inzwischen von einer Kunsttherapieeinheit zur nächsten.

Auch Acryl braucht Zeit zum Trocknen

Träumen in den Dünen, Acryl, Leinwand, 30 x 80 cm

Träumen in den Dünen, Acryl, Leinwand, 80 x 40 cm, Spachteltechnik, Remake eines aufgegebenen Bildes
Ölbilder trocknen bekanntlich monatelang. Das ist dem selbstkritischen Maler lieb, weil er seine Arbeit mittels Palettmesser und Malmittel jederzeit korrigieren, verändern und sogar komplett löschen kann.

Genau auf diese Methodik durfte ich mich garnicht erst einschießen!

Also gewöhnte ich mir an, mein Erstlingswerk auf Acrylbasis immer wieder einer längeren Trockenpause zu unterziehen, bevor weitere Lagen aufgetragen werden konnten.

Nur hatte ich Blut geleckt und konnte mir nicht vorstellen, die noch verbleibenden Minuten der Therapiestunde nichts zu tun!

So kam es am zweiten Tag meiner Arbeiten am "Erster Mai ..." dazu, dass ich mir eine gebrauchte Leinwand im 30x80 Format aus dem Fundus aufgegebener Arbeiten fischte.

Danach ging es langsam los


Erster Mai am Eichberg, Acryl, Leinwand, 70 x 40 cm


Das Aquarell hatte mir schon Freude bereitet.
Jetzt musste es nur noch in der nächsten Therapiestunde auf Leinwand übertragen werden.

Also richtete ich mir meinen Malplatz ein und ...
Erster Mai am Eichberg, Acryl, Leinwand auf Spannrahmen, 70 x 40 cm
...  legte noch nicht los.

70 x 40 cm in Reinweiß sind eine unglaublich große Fläche, wenn sie so vor dem unbedarften Anfänger liegt! Mit dieser Ernüchterung hatte ich in meiner Euphorie nicht gerechnet.

Anstelle Malens war erst einmal Hosenträgerflattern angesagt! Jawoll!
Und das nicht zu knapp!


Mein erster Prototyp und schon glücklich!

 Rheingau am 01.05.2014, Aquarell, 10 x 15 cm


Dieses Bild ist der Beginn meines Daseins als Maler und Künstler.







Rheingau am 01.05.2014, Aquarell, 10 x 15cm
Zwar gibt es auch aus früheren Zeiten von mir gemalte Miniaturen. Doch mit diesem Bild spürte ich zum ersten Male beim Malen innere Zustände, die mich tranceartig davonschweben ließen:

Luft, Freiheit, tiefes Eintauchen in das Bild, Freude, Konzentration, Ruhe und Glück!

17. November 2015

Ein Statement zur Einleitung dieses Blogs

Aller Anfang ist leicht!

Von wegen!

50 Jahre kämpfte ich mich mit den von meinem Umfeld beschriebenen Anforderungen an ein "gutes Bild" ab. 50 Jahre wagte ich es nur selten, mal einen Stift zu führen, eine Fläche zu bepinseln.

Es überwogen Gründe, entmutigt aufzugeben und mich für unfähig zu halten. Einen Pinsel, einen Meißel oder auch nur einen Bleistift nach meinen Erwartungen zu bedienen, fiel mir schwer. Sehr schwer.

Dem Ruf einer inneren Stimme folgend, kaufte ich mir in dieser Zeit ständig Malutensilien, um so eine noch intensivere Konfrontation mit meiner Unzulänglichkeit auszuleben. Diese Utensilien schleppte ich zum Teil auf langen Wanderungen und Radtouren durch Skandinavien, Frankreich und auch auf die Berge der deutschen Alpen.